Hermann für Frau Mann

Roman (zusammen mit Anke Bahr)

als eBook bei hey!publishing

Inhalt

Lilly Mann sucht einen Aufpasser für ihre Mutter Eva. Denn die Psychologie-Studentin will für zwei Semester ins Ausland, hat aber kein Vertrauen in die Lebenstüchtigkeit ihrer Mama. Nach Lillys Meinung ist Eva eine allzu plan- und sorglose Hippie-Frau. Hermann scheint der Richtige für den Kontroll-Job zu sein, nur fehlt ihm leider ein bisschen Schliff, findet Lilly. Den wird sie ihm jetzt antrainieren. Zur gleichen Zeit versucht fatalerweise Eva, den Freund ihrer Tochter umzugestalten: Sie will einen echten Kerl aus ihm machen.

Und so wollen beide für die jeweils andere das Beste und machen dadurch erst alles so richtig kompliziert. Was als turbulentes Verwirrspiel beginnt, droht in einem handfesten Beziehungschaos zu enden.

Leseprobe

Ich kenne diesen Blick. Ich kenne ihn nur zu gut, sehe ihn ja oft genug. Er bedeutet: Wie kannst du mir das antun? Wann wirst du endlich erwachsen? Schämst du dich denn gar nicht?

So, wie normalerweise Mütter ihre Töchter ansehen. Bei uns ist das umgekehrt. Ich ernte diese vorwurfsvollen Blicke immer von meiner Tochter Lilly.

Natürlich habe ich sie die Treppe raufrennen hören. Wie sie ins Bad stürmt, aber außer einer Wanne voll mit Wasser und zusammengefallenem Schaum nichts mehr vorfindet. Der schöne Siegfried und ich hatten uns längst wieder in mein Schlafzimmer zurückgezogen. Sie klopft nur höflichkeitshalber und stürmt dann gleich herein. Sie hat Glück, wir sind gerade nicht leidenschaftlich verstrickt. Wir befassen uns mit Kunst.

Ich, Eva Mann, liege im Evakostüm auf meinem Bett. Siegfried steht im Siegfriedkostüm an der Staffelei und malt an einem Bild, das mich darstellen soll. Okay, die Haarfarbe hat er ganz gut getroffen, vielleicht ein bisschen zu blond. Und die Mähne viel zu lang. Wenn ich so aussähe wie auf seinem Bild, dann könnte ich mir die Haare um die Hüfte schlingen. Geht leider nicht, sie sind nur schulterlang. Ich fühle mich auch etwas gestaucht auf seinem Bild. Kürzer als in Wirklichkeit und dicker. Er hat im ersten Schwung den Oberkörper etwas größer skizziert, vor allem meine Oberweite. Da mussten dann die Beine dran glauben. Siegfried hat sie quasi geknickt. Das soll lässig aussehen, wirkt aber eher so, als könnte ich damit nie wieder gehen. Aber ich sehe sehr jung aus. Gut, das höre ich öfter, dass ich wirke wie Mitte 30. Aber auf dem Bild, das ist wohl eher eine Abiturientin, mit märchenhaft langem Haar und verbogenen Beinen. Eine Meerjungfrau vielleicht?

Siegfried betrachtet mich und malt. Ich betrachte ihn und erfreue mich an diesem Anblick. Ich rauche. Er raucht. Manchmal brauchen wir das.

"Schämst du dich denn gar nicht?"

Auch diese Frage kenne ich. Von meiner Mutter. Jetzt höre ich sie von meiner Tochter. Was habe ich nur falsch gemacht bei der Erziehung?

Lilly kommt auf mich zu, nimmt mir die Zigarette aus der Hand, zerdrückt sie im Aschenbecher und wischt sich die Hände angeekelt an einem Papiertaschentuch ab, das sie aus ihrer Jogginghose zieht. Siegfried und seinen schönen Körper würdigt sie keines Blickes.

"Unten warten Kinder mit Zahnschmerzen und du vergnügst dich mit Hasch und Bettgeschichten."