Leseprobe
Die Wut trieb ihn an. Nie zuvor war er diesen Weg zur Kallmünzer Burg so schnell hinaufgerannt. Aber er brauchte nun den freien Blick, die klare Luft. Im Wirtshaus wäre er erstickt an dieser verlogenen Atmosphäre von Kaufen und Verkaufen, von Geldgier und Schacherei. Er kannte jede Treppenstufe, er wusste, wo sie ausgetreten, schief oder höher waren, wo ein in die Stufe hineinragender Stein diese uneben machte, wo Wurzelwerk in den Weg wuchs. Er liebte den Weg, er ging ihn so oft, aber heute hatte er keine Freude daran. Er wollte nur weit weg von den Menschen.
Er betrat die Burganlage durch den gotischen Torbogen, lief umher. Er atmete schwer, hatte sich zu sehr angestrengt, aber es war ihm egal. Den Blick ins Tal konnte er dieses Mal nicht genießen. Er lehnte sich an den Bergfried, schloss für einen Moment die Augen. Diese Ruhe ... Aber er fühlte sich nicht allein. Ein Knacken, als ob jemand auf Holz träte. Im Augenwinkel ein Schatten. Ein Tier? Er spürte plötzlich eine unerklärliche Unruhe, eine Unsicherheit an dem Ort, wo er sich sonst so wohl fühlte.
Durch den Torbogen ging er hinaus, dann Stufe für Stufe hinunter. Doch er kam nicht weit. Ein heftiger Stoß von hinten, er fiel zur Seite, schlug mit dem Hinterkopf an einen spitzen, herausragenden Felsbrocken. Er spürte den stechenden Schmerz, er hörte sich schreien. »Halt dich raus!« Eine fremde Stimme und Schritte, die sich entfernten. Er lag da, allein. Zum ersten und letzten Mal in seinem Leben bedauerte er, kein Handy zu haben.